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Die Wahrsagerin

Da saß sie nun. „31.12., letzter Tag im Jahr, Silvester, was für eine Pleite“, dachte sie. Das war ja mal wirklich ein sehr eigenartiges Jahr. Und irgendwie ist alles anders gekommen, als sie sich das gewünscht und vorgestellt hatte. „Das nächste Jahr muss ja der super Knaller werden, schlimmer geht’s ja wohl wirklich nicht mehr“, grübelte sie in Richtung Universum. Ja wirklich, sehr eigenartig, aber nicht auf eine gute Art und Weise. Fast andauernder Stillstand in allen Bereichen, so als würde sie sich in einer Warteschleife anstellen und nie dran kommen. Und als Oberknaller wusste sie nicht einmal wofür sie sich überhaupt anstellte und wartete. „Kann ja nur so ein doofes Ende finden, das war ja klar“, dachte sie, während sie sich in Richtung ihres Lieblingskaffees förmlich durchquetschte vor lauter Menschenmassen. „Wirklich gut, das dieses Jahr jetzt vorbei ist“, resümierte sie zufrieden, während sie endlich den ersten Schluck Kaffee genoss. Gerade hatte sie noch den letzten freien Sitzplatz ergattert. Leider einen von der üblen Sorte, dort zog es nämlich. War ihr aber fast schon egal, Hauptsache sitzen bei all den Menschen.

Anfang des Jahres war sie durch Zufall bei einer Wahrsagerin gewesen, und tatsächlich ist fast alles eingetreten, was die Dame ihr vorausgesagt hatte. Und dabei glaubte sie nicht einmal an so einen Unfug. „So ein Blödsinn aber auch“, schnaubte sie. Eigentlich damals bereits, als sie vor der Dame saß. Und viele Dinge passten ihr ja gar nicht, die die Wahrsagerin ihr damals prophezeite. „Sie werden von zu Hause arbeiten“, sagte sie damals zum Beispiel. „Ja herrlich, ich verliere also meinen Job!“, nicht das es da großartig viel zu verlieren gab, denn sie mochte nicht was sie tat. Aber dennoch. Und tatsächlich hatte sie mit der Voraussage recht. „Sie werden nicht übersiedeln, obwohl Sie es gerne möchten, Sie werden in der Wohnung bleiben!“ „Stimmte leider auch!“, dachte sie. Und sie hatte alles probiert. „Ihr Auto wird kaputt gehen!“ Nun Gott sei Dank hatte sie ihr altes Auto rechtzeitig verkauft und ein neues ergattert, günstig. So dachte sie zumindest. Und dann, nur 5 Wochen danach, ging das Auto kaputt, nichts mehr zu machen. Mann war sie da sauer. „Leider auch richtig“, entdeckte sie erbost. Aber bei einer Sache – Ha!, hatte die Wahrsagerin nicht recht. Endlich! „Sie werden sich dieses Jahr ganz toll verlieben, so wie Sie es noch nie getan haben! Und dieser Mann ist ein großartiger Mann, er wird Sie lieben, unterstützen und für Sie da sein, ein junger Mann, ein kommunikativer, ein ganz ein fescher!“ „Ja, ja, ja, das war wohl nichts, weit und breit war das ganze Jahr nichts zu sehen“, schmunzelte sie in sich hinein, teils zufrieden, teils aber auch ein wenig traurig. „Ja, das wird wohl nichts mehr, 31.12., 14h. Was soll da noch kommen? Eigentlich typisch, so Dinge wie Job verlieren und Auto kaputt passieren natürlich auf Kommando und die Liebe …?!“, redete sie sich innerlich in Rage. Sie beschloss aus purem Protest heute an Silvester nichts zu machen und einfach zu Hause zu bleiben. Sie war ja schließlich nicht Aschenputtel, das zum großen Ball geht und dort ihren Prinzen trifft, kurz vor Mitternacht, also Silvester. Also kann sie sich das ganze Theater auch gleich sparen und zu Hause bleiben. „Was soll das ganze überhaupt? Ein neues Jahr, Jubel! Na Leben, was machst du jetzt?“, schimpfte sie in den Himmel. „Diesen Abend wirst du mir nicht versauen!“, ärgerte sie sich. Und während sie so da saß und schimpfte, fiel ihr plötzlich ein … „Oh Mist, sie hatte ganz vergessen, dass sie noch in die Drogerie musste. Morgen haben ja schließlich alle Geschäfte zu. Noch so eine tolle Errungenschaft“, reklamierte sie, während sie ihre Tasche schnellstens zusammen packte. Und weiter „Gott sei Dank, sind ja heute keine anderen Menschen unterwegs“, ärgerte sie sich, als sie sich durch die Massen in Richtung Drogerie drängte.

„Taschentücher? Wo waren denn bloß diese doofen Taschentücher?“, presste sie sich durch die Reihen im Markt. „Nein, ich suche keine Gesichtscreme und nein, ich möchte nicht mit Parfum beduftet werden und dann ekelig riechen“, murmelte sie vor sich hin und … stolperte. „Wer ist denn da so blöd und lässt sein Duschgel im Gang liegen?“ Sie griff nach unten um die Packung vom Boden aufzuheben. Es sollte ja schließlich niemand anderer zu Boden gehen. Peinlich genug, dass sie gestolpert war. Sie griff danach, als sie merkte, dass noch jemand anderer danach griff. Sie schaute auf und stammelte verlegen „Äh, ah, entschuldigen Sie, ist das Ihr … ist das dein, Fa Duschgel?“ Er schaute sie an und lächelte und sagte „Ja, das ist dann wohl mein Fa-Moment“. Sie strahlte zurück während sie dachte „Mist!, die Wahrsagerin doch recht“ und antwortete ihm: „Ja, das ist wohl dein Fa-Moment!“

 

Erschienen auf http://www.fa-moments.at/die-wahrsagerin/