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Freu mich wie Schnitte

Ein neues Jahr also. Da wären wir. Ich weiß ja nicht wie es Euch geht, aber ich finde Jahresanfänge immer wieder super. Nicht das ganze bis 24h warten und Böller schießen bis zum Abwinken und so weiter. Aber das Gefühl, das ich ein neues Buch, ein Tagebuch in die Hände bekomme und ich wieder die Chance habe alles zu erreichen, alles zu machen, so als gäbe es keine Vergangenheit, kein Inhaltsverzeichnis, kein Buchtitel, keine Fußnoten, keine Rezessionen, alles ganz neu, gänzlich leer. So als würden die Karten nochmals ganz neu gemischt werden. Als könntest du im Himmel bei den für dich richtigen Dingen lauthals „Ja“ schreien. Als wäre das böse Tschutschu im Universum vergessen und du hast endlich den Millionengewinn ergattert.

Der Gedanke ein leeres Buch zu bekommen, finde ich toll, nicht beängstigend aufgrund der Leere. Alles leere Seiten voller Freiraum und Möglichkeit diese vielfältig zu füllen. Und zum Jahreswechsel kaufe ich dann immer imaginär bunte Filzstifte und alle möglichen Sorten von farbigen Aufklebern, für all die noch so unschuldigen Buchseiten.

Lustig finde ich, dass es wohl jedes Jahr so etwas gibt wie einen vorübergehenden Arbeitstitel, doch der tatsächliche Buchtitel, jener der sozusagen dann in den Handel geht, steht ja erst jeweils am Ende des Jahres fest. Letztes Jahr war mein persönlicher Arbeitstitel „Wenn Du in der Hölle landest, geh einfach weiter!“. Der tatsächliche Titel war dann eher „Schneewittchen und die sieben Berge“. Dieses Jahr ist mein Arbeitstitel „Come and see as you are“. Letztes Jahr ein absolut zu Herzen gehendes Drama, dass sich in ein 7 stündiges Epos verwandelt hat. Dieses Jahr hoffe ich auf einen absoluten Blockbuster. So ein richtiger amerikanischer Disney Kitsch Film, mit einem alles ist super Ende.

Und dann die Sache mit den Vorsätzen. Wer von Euch macht(e) Vorsätze? Ich, keinen einzigen. Es gab Jahre, da habe ich alle möglichen Neujahrsrituale ausprobiert. Von Trauben essen genau um 24h, damit alle Wünsche in Erfüllung gehen. Ich habe mir rote Schlüppers gekauft und bin den ganzen Abend mit einem 100 Euro Schein in der Unterhose herumgelaufen, weil das Glück in finanziellen Dingen bringen sollte. Naja, außer einem fetten Ausschlag am Po, leider nein. Und das war nur die Spitze des Eisberges. Dieses Jahr, weder Rituale, noch irgendwelche Vorsätze. Ziele, ja. Einige. Dinge, die ich dieses Jahr von Herzen gerne erreichen möchte. Also reich, berühmt und schön. Intelligenz wird doch überbewertet. Aber wenn schon Vorsätze, warum dann nicht, Dinge die uns lebendiger machen? Mehr doof sein, mehr albern sein, mehr raus aus der Komfortzone? Mal bei der Ampel rüber winken, anstelle böse schauen. Mal beim Billa nett ins Gespräch kommen, anstelle dem Vordermann den Tod wünschen, weil er alle aufhält und so langsam ist. Und ja, ich weiß wovon ich spreche. Leider oder Gott sei Dank ist allerdings noch niemand umgekippt. Oder zumindest nicht wegen meines bösen Tschutschus.

Wir sagen ja öfters, dass wir uns des Lebens bewusst werden, wenn wir dem Tode nahe sind. Ich sage schon mal … Blödsinn! So oft wie ich an die Himmelstür gepocht habe. Nö! Vielleicht habe ich ja weniger gepocht als sehr, sehr leise „Hallo“ gesagt. Schätzt man die Dinge deshalb zwangsläufig mehr? Nochmals nö. Aber man freut sich wie ne Schnitte das man noch am Leben ist. Meistens allerdings nur vorübergehend. Nämlich so lange, bis der Alltag wieder da ist und man vergisst, verdrängt und vergräbt. Ein Teil dessen ist ja echt gut, wäre ja auch doof, immer in der Traumatodesschleife unterwegs zu sein. Du vergisst schnell das Leben zu schätzen, jeden Augenblick, jede Sekunde zu genießen. Auch wenn die Dinge rundum alle mal richtig mies laufen, schwierig sind, das Leben doch wertzuschätzen. Denn immerhin erlebst du alles live und in Farbe und nicht mit Engelsflügerln bewaffnet.

Und deshalb freu ich mich wie Schnitte auf dieses neue Tagebuch. Mein Tagebuch mit all diesen leeren Seiten. Meins! Spielraum um mich lustig und lustvoll austoben kann. Platz, wo ich sein kann, wer ich dieses Jahr sein möchte. Ich entscheide, was ich heute, jetzt, am Abend in mein Buch schreiben mag. Über mich, über das Leben, meine Erlebnisse. Ich, ich freue mich dieses Jahr mal wie Schnitte auf alles was da kommt. Und wenn es auch nur deshalb ist, das sich das böse Tschutschu mal ordentlich in den Hintern beißt. So wie ich sonst. Ich freue mich wie Schnitte auf meinen Blockbuster, meinen Kassenschlager, mein Jahr, mein Buch, mein Leben.