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Der Schreihals

Letzthin, ich glückliche, war ich ein verlängertes Wochenende einfach wieder einmal weg. Raus aus Wien, rein ins Grüne und damit Feuer frei für die Entspannung. Darüber hinaus ein tolles Hotel, bereicherndes Rahmenprogramm und – immer wieder für mich wichtig – ein köstliches Frühstücksbuffet. Love it! Das hat doch jeder gerne und braucht man doch von Zeit zu Zeit. Endlich wieder mal raus aus der Stadt, „tschüßikovski“ den Menschenmassen und den Häusern, die schon mehr als aufs Gemüt drücken. Der Hektik entfliehen und darauf hoffen, dass das Handy vor Ort nicht geht, weil der nächste doofe Handysendemast viel zu weit weg ist. Die Seele baumeln lassen und die Ruhe genießen, so wie sich das gehört. Der totalen Stille frönen sozusagen, sonst könnte man ja gleich in Wien bleiben, oder?

Was mache ich also? Ich knalle mich strahlend wie ein Weihnachtspackerl, bevor es ausgepackt wird auf die bereits richtig ausgerichtete Sonnenliege vor meinem Appartement im Hotel, lege meinen super, heißen, sexy Körper (wehe dem der anderes behauptet) mitten auf die wartende Chillarea uuuund … merke, dass es im Nachbarzimmer sichtlich noch ein Weihnachtspackerl gibt, allerdings wurde dieses bereits ausgepackt und zwar vollständig. Und anstelle fröhlichem Vogelzwitschern und Baumrauschen höre ich nun … lautes Gestöhne und wildes Geschrei, gleich gefolgt von lustvollem Gequieke und Klatschgeräuschen. Gut, mir ist schon klar, dass jeder etwas anderes versteht unter Urlaubsrahmenprogramm und sich sichtlich jeder auf seine ganz persönliche Art entspannt, aber bitte, warum muss man denn dabei schreien und zwar lauthals? Das es Unterschiede geben muss und gibt ist klar. Wir Menschen sind ja schon in allen anderen Bereichen sehr verschieden, aber alles was mich jetzt hier in diesem Augenblick auf meiner Sonnenliege quält ist die Frage: „Wieso den bloß?“ Hilft aber alles nix. Leider gibt es aber ferner nicht nur unterschiedliche Lust- oder ja vielleicht sogar Fruststöhner, sondern auch noch Menschen die dem Geschreie auch gerne lauschen und sich dabei wohl sportlich motiviert fühlen. „Entsetzlich“, denke ich „soll ich vielleicht rein gehen?“ Ich wiederhole mich „Warum denn bloß schreien?“. Wäre ich ein Mann, würde mich das nicht nur irritieren, sondern auch stören. Soweit ich bis dato weiß, geht es um einen Liebesakt und nicht um ein Tötungsdelikt? Da beginnt sich mein süßer, verrückter Kopf doch sofort zu fragen: „Sind die Männer so schlecht, dass die Frauen so schreien müssen (denn, total überrascht und gleichsam absolut verständnislos, nimmt die Zahl der Schreihälse zu). Liegt das etwa am neuen Blockbuster und an den wahllosen Einkäufen im Baumarkt um die Ecke? Oder lernen Frauen im Augenblick mehr Männer kennen, die wahlweise so alt sind, dass sie bereits schlecht hören oder sonst irgendwie eingeschränkt sind im Hören, sodass die Frauen annehmen so schreien zu müssen? Oder werden Österreichs Betten geflutet vom Tinitus und der Pfeifton, muss übertönt werden? Ich persönlich würde ja auch den Baumarkt präferieren und das Klebeband kaufen und damit den Mund zukleben, damit ich dieses schreckliche Geschrei nicht mehr hören muss. Also warum ihr Frauen da draußen, warum schreit ihr und wichtiger, warum ihr Männer tut ihr nichts dagegen? Was mach ich also auf meiner Entspannungsliege, die vor kurzem von „ent“ zu „ver“ gewechselt hat? Ich schreie, vor Wut, knall mir Kopfhörer in die Ohren und höre auf maximaler Lautstärke Rockmusik. „Schön, diese Ruhe, weit weg von der Stadt und all den Verrückten!“, denke ich. PS: Das überaus aktive Nachbarspärchen erschien übrigens am nächsten Tag nicht zum Frühstück, sondern reiste verfrüht ab: „Der Frau ginge es nicht gut, sie sei krank“, hieß es an der Rezeption. Das hätte ich allerdings bereits eher vermutet …